Einen höchst informativen Tag erlebte Dr. Thomas Riecke-Baulecke, Präsident des ZSLs, vergangenen Donnerstag beim Besuch des Nicolaus-Kistner Gymnasiums. Auf Einladung der Schulleitung wurde es dem Landesbeauftragten ermöglicht, einen Blick in ein Objekt seiner Arbeit zu werfen, und sich über etwaige Probleme, aber auch Möglichkeiten, zu informieren. Aufgabe seiner 2019 neu eingerichteten Behörde ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse über Unterricht und Lehrerfortbildungen zu bündeln, anzuwenden, und sie somit Lehrern und Schülern zugutekommen zu lassen. Nach Begrüßung durch Rektor Jochen Herkert besuchte der Gast zunächst Unterrichtseinheiten verschiedener Fachbereiche wie Wirtschaft, Sprachen, Wissenschaft und Musik, bevor es in kleinerer Runde um die Digitalisierung ging. Hierbei hob er die gut ausgebaute digitale Infrastruktur am NKG hervor und unterstützte gleichzeitig Fachleiter Dominik Diemers Vorstoß für festangestellte IT-Techniker an den Schulen und einen nachhaltigeren Ausbau der Technik. Ohne Umschweife räumte er die verschlafene Digitalisierung in Deutschland ein und forderte „Hightech an den Schulen“, sprach sich jedoch dagegen aus, „dass zukünftig nur noch mit digitalen Medien unterrichtet wird“. Als Zukunftsoption sah er individuell zugeschnittene, KI-gestützte Aufgabenangebote für Schüler an, wobei der Computer automatische Rückmeldung über die Bearbeitung geben könne.
Die abschließende Diskussionsrunde im großen Musiksaal mit ca. 30 Teilnehmern aus Schulleitung, Schüler-, Lehrer- und Elternvertretung drehte sich hauptsächlich um die Zukunft der Schule und die Anliegen der anwesenden Fraktionen. Auf die Frage eines Schülers, wie er sich die Schulbildung Baden-Württembergs in zehn Jahren vorstelle, gab Dr. Riecke-Baulecke eine Grundsatzantwort. Digitale Medien sollen laut ihm nicht das Lernen dominieren: „Jeder Mensch ist anders und braucht ein eigenes Werkzeug.“ Schule ist für ihn vor allem da, um kritisches Denken und Demokratie zu lernen. Andere Länder – wie etwa China – stünden zwar vom Lernstand her besser da, doch die umfassende Personenkontrolle dort biete keine Möglichkeit zur freien Entfaltung wie an deutschen Schulen. „Wesenskern der Schule ist Kommunikation und Diskussion. Das hat mir hier am NKG sehr gut gefallen!“.
Hauptanliegen der Elternvertretung war der aus deren Sicht zu große Klassenteiler. Der liege momentan bei 30, und sorge teilweise für übervolle Klassenzimmer. Dr. Riecke-Baulecke sah das anders. Am Beispiel Hamburg führte er aus, dass der Klassenteiler dort bei 23 liege, die schulischen Leistungen aber nicht unbedingt besser seien. Einhelliger Meinung war man dagegen beim Lernprogramm „Rückenwind“. Hier war es der Elternschaft ein Anliegen, das Lernprogramm auch über die Zeit nach der Pandemie zu verlängern. Dr. Riecke-Baulecke versprach „Rückenwind für ´Rückenwind`“.
Lehrerschaft und Direktion plädierten im Anschluss für den Abbau von Bürokratie, um die schon vielbeschäftigten Verantwortungsträger nicht durch noch mehr Regelungen von ihrer eigentlichen Aufgabe abzuhalten. Der Gast stimmte in diesen Chor mit ein und war ebenfalls dafür, Bürokratie zu reduzieren. Ebenfalls zur Debatte stand die Finanzpolitik des Landes. Um die Probleme der Schulen zu lösen, müsse endlich Geld in die Hand genommen werden, so eine Lehrerin. Konsens zwischen allen Beteiligten war der Wunsch, das vorhandene Geld richtig auszugeben und die Ansicht, es müsse nicht unbedingt deutlich mehr ausgegeben werden, sollte das Geld in die richtigen Projekte fließen.
Abschließend forderten Eltern und Lehrer, mehr Stellen für Krankheitsvertretungen zu schaffen, um Lehrer zu entlasten und Hohlstunden aufzufangen. Dr. Riecke-Baulecke schloss mit einem flammenden Appell für den Lehrerberuf und bedankte sich bei Schulleitung, Lehrern und Eltern für ihren unermüdlichen Einsatz in der Schule, gerade auch in der Pandemie.
Von Felix Freudenberger